tag:www.nachhaltige.uni-hamburg.de,2005:/uebernachhaltigkeit/standpunkteStandpunkte2019-08-09T08:07:45ZNAGR-zentrale-7747980-production2019-06-04T22:00:00ZIm Interview: Anna Katharina Dahms<img width="293" height="165" style="float:left" src="https://assets.rrz.uni-hamburg.de/instance_assets/zentrale/7839251/standpunkte-dahms-733x414-92f06c74037d5c34b07fb9a85277288f6966cbf1.jpg" /><p>Sehr geehrte Frau Dahms, wie ist Ihre Tätigkeit an der Universität Hamburg mit dem Thema nachhaltige Entwicklung verknüpft?</p>
<p>Dahms: Ich bin Präsidentin der gemeinnützigen Organisation oikos Hamburg e. V. Wir sind Teil einer internationalen Studierendenorganisation, die sich für die Förderung einer nachhaltigen Wirtschaft und mehr unternehmerischer Verantwortung einsetzt. Wir bieten eine Abwechslung zum Studium und ein Forum für Studierende, die die ökonomische Praxis und Theorie offen und kritisch diskutieren und das öffentliche Leben mitgestalten möchten. oikos Hamburg e. V., als regionaler gemeinnütziger Verein, ist eine universitäre studentische Initiative, die sich lokal für mehr Nachhaltigkeit auf dem Campus der Universität Hamburg, in der Zivilgesellschaft, Unternehmen und in ganz Hamburg einsetzt.</p>
<p>Warum engagieren Sie sich für das Thema nachhaltige Entwicklung?</p>
<p>Dahms: Mich persönlich ehrenamtlich zu engagieren, gehörte schon immer zu meinem Leben dazu. Mein Leitspruch war und ist der Refrain aus „Deine Schuld“ von den Ärzten: „Es ist nicht deine Schuld, dass die Welt ist wie sie ist, es wäre nur deine Schuld, wenn sie so bleibt“. Dass wir als Gesellschaft nicht so weiter agieren können, wie wir es bisher getan haben, ist offensichtlich. Dafür muss ich lediglich mit offenen Augen durch unsere Umgebung gehen. Es fängt bei A wie Artensterben an und hört bei Z wie sich Zeit nehmen (z. B. für Reisen mit dem Zug statt dem Flugzeug) auf. Was man sieht macht mich traurig und ich kann gar nicht anders, als mich einzumischen. Wir müssen mit unseren endlichen Ressourcen bedarfsgerecht und nachhaltig haushalten.</p>
<p>Was sind aus Ihrer persönlichen Sicht die größten Erfolge bezüglich nachhaltiger Entwicklung an der Universität Hamburg?</p>
<p>Dahms: Ein wichtiger Schritt war die Veröffentlichung der beiden Nachhaltigkeitsreports der Universität Hamburg durch oikos Hamburg. So etwas brauchen öffentliche Institutionen, wie unsere Uni eine ist. Insbesondere kann ich auch die Arbeit des KNUs hervorheben, das Initiativen wie unsere unterstützt und Nachhaltigkeitsbestrebungen an der Uni sehr vielfältig fördert.</p>
<p>Was sind in Ihren Augen Herausforderungen an der Universität Hamburg im Hinblick auf eine nachhaltige Entwicklung?</p>
<p>Dahms: Meines Erachtens werden die vielen bereits existierenden Aktivitäten auf unserem Campus zu wenig von der Universität wahrgenommen. Damit meine ich auch die Studierenden. Zudem kann ich den Worten Herman Hesses aus Demian nur zustimmen, der postulierte: „Nur das Denken, das wir leben, hat einen Wert.“ Ich würde mir noch mehr Mut wünschen, entschlossen große Schritte zu gehen, um eine wirklich nachhaltige Uni zu werden. Warum verkaufen wir immer noch Pappbecher in den Mensen, wo es doch Alternativen aus Porzellan gibt?</p>
<p>Ihr Rat an die Universität Hamburg?</p>
<p>Dahms: Ich würde es begrüßen, wenn der Nachhaltigkeitsansatz noch mehr Einzug in reguläre Vorlesungen nähme – zusätzlich zu den bestehenden Vorlesungen, in der der Ansatz bereits integriert ist.</p>
<p>Wer sind für Sie die inspirierenden Treiber für nachhaltige Entwicklung?</p>
<p>Dahms: Ich lasse mich gerne von meiner direkten Umgebung inspirieren. Damit meine ich unsere oikees, meine Kommilitoninnen und Kommilitonen und die Dozierenden, aber auch Unternehmen und Organisationen in Hamburg.</p>
<p>Was tun Sie persönlich, um nachhaltiger zu leben?</p>
<p>Dahms: Ich versuche althergebrachte Lebensweisen und neue digitale Möglichkeiten zu verbinden – quasi back to the roots mit Internetzugang. Ich konsumiere sehr wenig, und wenn, dann meist übers Teilen oder Tauschen. Das klappt in Zeiten von Foodsharing oder Kleidertauschmärkten sehr gut. Außerdem nehme ich mir Zeit: Zeit, um Kastanien zum Waschen oder die wunderbaren Kirschen vom Campus zu sammeln, mit der Bahn statt dem Flugzeug zu reisen, aber auch, um mich mit Menschen zu unterhalten und ihnen zuzuhören. Eines ist für mich klar: Nachhaltigkeit bedeutet, sich Zeit für einander zu nehmen und auch in unserem schnellen Lebensrhythmus inne zu halten.</p>
<p>Was sollten wir noch über Sie wissen?</p>
<p>Dahms: Wir von oikos freuen uns über jede und jeden, der die Zukunft mitgestalten will und Lust hat, sich gemeinsam mit uns für eine Vision stark zu machen.</p>
<p>Vielen Dank!</p>
<p>Weiterführende Informationen: https://oikos-international.org/hamburg/</p><p>Foto: Anna Katharina Dahms</p>NAGR-zentrale-7730059-production2019-05-21T22:00:00ZIm Interview: Dr. Christian Wittenburg<img width="293" height="165" style="float:left" src="https://assets.rrz.uni-hamburg.de/instance_assets/zentrale/7748103/standpunkt-wittenburg-733x414-ef60dad1fbdf6841915d14b5ce81cac0aff3789a.jpg" /><p>Sehr geehrter Herr Dr. Wittenburg, wie ist Ihre Tätigkeit an der Universität Hamburg mit dem Thema nachhaltige Entwicklung verknüpft?</p>
<p>Wittenburg: Ich engagiere mich seit vielen Jahren im Arbeitskreis Klima, Energie und Umwelt. Ziel dieser mit AKEU abgekürzten Gruppe ist es, in den unterschiedlichen Bereichen der Universität Hamburg kleine Gruppen von engagierten Personen zu finden und deren Ideen und Vorort-Wissen für einen effektiven Energieeinsatz zu nutzen. Durch die Mitarbeit im Team 4 des KNU haben sich für mich auch viele neue und interessante Blickwinkel auf das Thema Nachhaltigkeit ergeben, denn man muss Transferprozesse begleiten und aktiv voranbringen, und das ist mit vielfachen, manchmal nicht sofort absehbaren Schwierigkeiten verbunden.</p>
<p>In den letzten Jahren habe ich mich an den Aktionstagen Nachhaltigkeit beteiligt. Vom AKEU haben wir Exkursionen zu großen Industriebetrieben mit Blick auf die Sustainable Development Goals (SDGs) unternommen, was für viele der Beteiligten sehr interessant war. Themen der Nachhaltigkeit verbinde ich auch mit meinen Lehrveranstaltungen. Ich bin davon überzeugt, dass man nur vor populistischer Meinungsmache einigermaßen sicher ist, wenn man die chemischen und physikalischen Grundlagen z. B. der Klimaerwärmung auch verstanden hat. Die Bildung einer Bewertungskompetenz ist ebenfalls ausdrückliches Lernziel.</p>
<p>Meine Mitarbeit im Personalrat für das wissenschaftliche Personal verstehe ich ebenfalls als einen Beitrag zur sozialen Dimension der Nachhaltigkeit, da nur bei guten Arbeitsbedingungen an unserer Universität ein substantieller Beitrag in Forschung und Lehre geleistet werden kann. </p>
<p>Warum engagieren Sie sich für das Thema nachhaltige Entwicklung?</p>
<p>Wittenburg: Für mich ist das Thema Nachhaltigkeit ein wunderbar geeignetes Band, um die Aktivitäten auf verschiedenen Ebenen für eine bessere Zukunft zu vereinen. Obwohl wir zurzeit in großem Wohlstand und Freiheit leben, sehe ich die globalen Herausforderungen als riesig an. Erderwärmung, wachsende Extremwetterereignisse, Bevölkerungswachstum und globale Klimaflüchtende und wieder steigende Kriegsgefahr müssen Antworten finden. Um mit diesen globalen Aufgaben umzugehen, scheint mir ein Engagement im Sinne der SDGs der Vereinten Nationen angemessen. Und das können eben auch kleine Schritte im Alltag sein, die ihren Teil zur Verbesserung beitragen. Als Lehrender sehe ich mich auch hier herausgefordert, und die Zielrichtung der Nachhaltigkeit scheint mir sinnhaft und richtig zu sein.</p>
<p>Was sind aus Ihrer persönlichen Sicht die größten Erfolge bezüglich nachhaltiger Entwicklung an der Universität Hamburg?</p>
<p>Wittenburg: Mit der Einrichtung des KNU ist es aus meiner Sicht sehr gut gelungen, das Thema Nachhaltigkeit als Zielvorgabe auf allen Ebenen unserer Universität zu etablieren. Am KNU mag ich besonders die Vielfalt des Angebots und die stets aktuelle Webpräsenz. Mit Blick auf unsere Nachbaruni Leuphana in Lüneburg sind wir zwar nicht die ersten, die sich die Nachhaltigkeit auf die Fahnen geschrieben haben, dennoch scheint mir das Thema groß genug, dass auch die Uni Hamburg als Volluniversität im Norden sich dieses als Leitmotiv für Forschung, Lehre und des eigenen Betriebs wählt. </p>
<p>Was sind in Ihren Augen Herausforderungen an der Universität Hamburg/in Deutschland/weltweit im Hinblick auf eine nachhaltige Entwicklung?</p>
<p>Wittenburg: Vom Großem zum Kleinen sehe ich global die Beherrschung des Klimawandels und den Umbau der Agrarwirtschaft unter Erhaltung der Biodiversität für vorrangig, für Deutschland den kompletten Umbau unserer Industriegesellschaft auf Klimaneutralität, ohne dass es dabei zu gewalttätigen Auseinandersetzungen kommt. Für die Universität: Sie muss Teil des Prozesses sein, sich meinungsstark auf der Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse einbringen.</p>
<p>Ihr Rat an die Universität Hamburg?</p>
<p>Wittenburg: Es fällt mir etwas schwer, hier einen Rat zu geben. Vielleicht der, offen und gesprächsbereit auf der Basis unserer durch die Aufklärung geprägten Ideale (der Forschung, der Lehre, der Bildung) und des gegenseitigen Respekts zu bleiben. Einsichten dürfen durchaus wiederholt werden und man sollte nicht aufhören zu fragen. Auch lieb gewonnene Gewohnheiten sind veränderbar, das beziehe ich durchaus auch auf mich selbst.</p>
<p>Wer sind für Sie die inspirierenden Treiber für nachhaltige Entwicklung? Wen sollte man lesen/wem zuhören?</p>
<p>Wittenburg: Ich verfolge das Thema in der Öffentlichkeit mit großer Aufmerksamkeit. Als äußerst wichtig erachte ich die Berichte des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change), da sie uns in den letzten Jahrzehnten die Folgen des Klimawandels klar dokumentiert haben. In dem Zuge braucht es aber auch guten und freien Journalismus, der die mitunter sperrigen Einsichten auch zum Thema Eintrittswahrscheinlichkeit und Unsicherheit erklärt.</p>
<p>Gut ist auch ein Blick in die Geschichte, wie beispielsweise Yuval Noah Harari in „Eine kurze Geschichte der Menschheit“ sehr kurzweilig darstellt. Es zeigt, dass unsere Entwicklung von stetiger Veränderung gekennzeichnet war und ist. Das kann Mut machen, auch die vor uns liegenden Herausforderungen zu bestehen. Genug Energie sendet uns die Sonne ja täglich frei Haus.</p>
<p>Was tun Sie persönlich, um nachhaltiger zu leben?</p>
<p>Wittenburg: In der Stadt bin ich fast ausschließlich mit Rad, Bus & Bahn unterwegs. Im Sommer mache ich verstärkt meinen gesamten Arbeitsweg mit dem Fahrrad, was auch körperlich herausfordernd ist. Für Dienstreisen bevorzuge ich die Bahn und meine Ernährung wird zunehmend fleischärmer. Ich kaufe möglichst nachhaltig hergestellte, regionale Produkte, Müll wird getrennt, organische Abfälle selbst kompostiert und es wird möglichst alles verwertet. Ich unterstützte verschiedene Kultureinrichtungen, besonders die Denkmalpflege, da sich in diesem Bereich historisches, soziales, kulturelles und handwerklich/naturwissenschaftliches Wissen und Tun wunderbar verbinden.</p>
<p>Was sollten wir noch über Sie wissen?</p>
<p>Wittenburg: Ich reise gerne, was auch zu Zielkonflikten bezüglich meiner CO2-Bilanz führt. Ich singe in einem Chor, die Auseinandersetzung mit Musik empfinde ich als sehr bereichernd. Ich lebe in und mit einer großen Familie, das jüngste Mitglied unserer Familie heißt Greta und ist gerade 2 Jahre alt geworden. Ein guter Ansporn, für eine nachhaltige Zukunft zu arbeiten.</p>
<p>Vielen Dank!</p>
<p>Weiterführende Informationen: https://www.chemie.uni-hamburg.de/institute/ac/arbeitsgruppen/jacobi/team/wittenburg-christian.html</p><p>Foto: Jasper Wittenburg</p>NAGR-zentrale-7137368-production2019-05-07T22:00:00ZIm Interview: Prof. Dr. Hans-Christoph Koller<img width="293" height="165" style="float:left" src="https://assets.rrz.uni-hamburg.de/instance_assets/zentrale/7271935/standpunkte-koller-733x414-5e1eb3cd3fa03094bc521df2de7161319f37269c.jpg" /><p>Sehr geehrter Herr Professor Koller, wie ist Ihre Tätigkeit an der Universität Hamburg mit dem Thema nachhaltige Entwicklung verknüpft?</p>
<p>Koller: Seit seiner Gründung und bis vor kurzem habe ich im Kompetenzzentrum Nachhaltige Universität (KNU) mitgearbeitet und mich dort vor allem für Nachhaltigkeit (in) der akademischen Lehre eingesetzt.</p>
<p>Warum engagieren Sie sich für das Thema nachhaltige Entwicklung?</p>
<p>Koller: Weil mir klargeworden ist, dass nachhaltige Entwicklung nicht nur eine der wesentlichen Zukunftsfragen der Menschheit ist, sondern auch eine zentrale Angelegenheit meines Fachs. Denn die Erziehungswissenschaft hat es vor allem mit dem Verhältnis der Generationen zu tun und daher mit der Frage, welche Welt wir Erwachsenen der nächsten Generation hinterlassen wollen. Und nachhaltige Entwicklung bedeutet einer Formulierung der Brundtland-Kommission zufolge, die Lebensqualität der gegenwärtigen Generation zu sichern und gleichzeitig zukünftigen Generationen die Wahlmöglichkeit zur Gestaltung ihres Lebens zu erhalten.</p>
<p>Was sind aus Ihrer persönlichen Sicht die größten Erfolge bezüglich nachhaltiger Entwicklung an der Universität Hamburg/in Deutschland/weltweit?</p>
<p>Koller: Dass das Thema nicht mehr aus den wissenschaftlichen und politischen Debatten wegzudenken ist.</p>
<p>Was sind in Ihren Augen Herausforderungen an der Universität Hamburg/in Deutschland/weltweit im Hinblick auf eine nachhaltige Entwicklung? </p>
<p>Koller: Entscheidend wird im Blick z. B. auf den Klimaschutz die Frage sein, ob die Menschen weltweit in der Lage sind, schnell genug umzudenken und umzusteuern, um das Überleben der Menschheit zu sichern. Für die Universität bedeutet das die Aufgabe, dazu beizutragen, dass die Studierenden in der Auseinandersetzung mit Wissenschaft die Fähigkeit und die Bereitschaft erwerben können, angesichts neuer gesellschaftlicher oder technologischer Herausforderungen, für deren Bearbeitung das bislang zur Verfügung stehende Wissen nicht mehr ausreicht, neue Handlungsmöglichkeiten zu entwickeln.</p>
<p>Ihr Rat an die Universität Hamburg/andere Forschende/Studierende/allgemein ?</p>
<p>Koller: Seid unbequem!</p>
<p>Wer sind für Sie die inspirierenden Treiber für nachhaltige Entwicklung?</p>
<p>Koller: Die jungen Menschen, die bei „Fridays for Future“ für mehr Klimaschutz auf die Straße gehen.</p>
<p>Was tun Sie persönlich, um nachhaltiger zu leben?</p>
<p>Koller: Ich fahre mit dem Rad zur Uni, praktiziere seit 20 Jahren Carsharing, versuche, die Zahl von Flugreisen zu reduzieren und verzichte soweit wie möglich auf Plastiktüten.</p>
<p>Was sollten wir noch über Sie wissen?</p>
<p>Koller: In meinem Buch „Bildung anders denken“* versuche ich, das oben skizzierte Verständnis von Bildung als Zukunftsfähigkeit genauer auszuführen.</p>
<p>Vielen Dank!</p>
<p>Weiterführende Informationen: http://www.ew.uni-hamburg.de/de/ueber-die-fakultaet/personen/koller.html</p>
<p>*„Bildung anders denken. Einführung in die Theorie transformatorischer Bildungsprozesse.“ Stuttgart: Kohlhammer 2012 (2. Aufl. 2018)</p><p>Foto: Hans-Christoph Koller</p>NAGR-zentrale-7062107-production2019-04-23T22:00:00ZIm Interview: Dr. Nicola Ebers<img width="293" height="165" style="float:left" src="https://assets.rrz.uni-hamburg.de/instance_assets/zentrale/7073839/nicola-ebers-733x414-9c676919fe865d01732c7cf17b65379f0a235e66.jpg" /><p>Sehr geehrte Frau Dr. Ebers, wie ist Ihre Tätigkeit an der Universität Hamburg mit dem Thema nachhaltige Entwicklung verknüpft?</p>
<p>Ebers: In der Organisationsentwicklung und den von uns unterstützten Changemanagement-Prozessen in der Verwaltung versuchen wir einen Beitrag zum Zielbild der Universität „Innovating and cooperating for a sustainable future“ zu leisten. Wir möchten dabei u. a. zu einer guten Entwicklung der Arbeitsbedingungen, der Organisationskultur und der Mitarbeiterzufriedenheit beitragen. Auch das Qualitätsmanagement in der Verwaltung, dessen Aufbau wir beraten und unterstützen, verstehen wir als einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung der UHH. Insgesamt betrifft unser Aufgabengebiet in der Organisationsentwicklung vielfältige Aspekte von Nachhaltigkeit, die derzeit auch in einem Arbeits- und Maßnahmenprogramm „Nachhaltigkeit konkret im Verwaltungshandeln der Universität“ bearbeitet werden. Dieses Programm reicht von Themen wie Energie, Mobilität, Einkauf und Finanzen bis zu Organisationskultur, Personalentwicklung und Diversität. Wir in der Stabsstelle OE unterstützen dabei insbesondere das Monitoring dieses Programms. Als Leiterin des Teams 4 „Nachhaltige Hochschulverwaltung“ im Kompetenzzentrum Nachhaltige Universität (KNU) versuche ich gemeinsam mit dem Team, das Wissen über und das Verständnis für Nachhaltigkeit sowie deren Implementierung in der Verwaltung durch verschiedene Maßnahmen, Instrumente und Kampagnen weiter voranzutreiben. Dies erfolgt in enger Zusammenarbeit mit dem KNU.</p>
<p>Warum engagieren Sie sich für das Thema nachhaltige Entwicklung?</p>
<p>Ebers: Die Organisationsentwicklung eröffnet mir die Möglichkeit, einen Beitrag zur institutionellen Verankerung von vielfältigen Aspekten der Nachhaltigkeit wie z. B. guten Arbeitsbedingungen, Diversität, Gleichstellung, Personalentwicklung usw. zu leisten. Das Team 4 eröffnet zudem die Chance, das Verständnis, das Bewusstsein und auch das Engagement bei den Kolleginnen und Kollegen aus der Verwaltung für eine nachhaltige Entwicklung der UHH zu stärken. Wenn wir damit einen kleinen Beitrag dazu leisten können, mit den globalen Herausforderungen der Welt, wie sie auch die Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen beschreiben, durch unser Einbringen in die Entwicklung der UHH konstruktiv umgehen zu können, dann erscheint mir das ein guter Weg.</p>
<p>Was sind aus Ihrer persönlichen Sicht die größten Erfolge bezüglich nachhaltiger Entwicklung an der Universität Hamburg?</p>
<p>Ebers: Die UHH hat es in einem mehrjährigen Prozess geschafft, ihr Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung innerhalb der Institution erfolgreich zu verankern. Das Forschungsprofil, die Lehrangebote und auch die Serviceleistungen im Betrieb wurden und werden sukzessive auf dieses Zielbild ausgerichtet. Es gibt beeindruckend viele Aktivitäten zu diesem Thema, das gleichzeitig in der UHH mit dem KNU strukturell verankert wurde.</p>
<p>Was sind in Ihren Augen Herausforderungen an der Universität Hamburg/in Deutschland/weltweit im Hinblick auf eine nachhaltige Entwicklung?</p>
<p>Ebers: Große Herausforderungen für die UHH stellen aus meiner Sicht eine weitere Vertiefung des Verständnisses von Nachhaltigkeit bei allen Universitätsmitgliedern, eine stärkere Verankerung in den Entscheidungsstrukturen und eine größere Sichtbarkeit der UHH in den gesellschaftlichen Debatten um nachhaltigkeitsbezogene Themen dar. Insgesamt sehe ich als eine der großen Herausforderung an, zu erforschen und realisierbare Lösungsansätze dafür zu entwickeln, wie wir unsere Lebensweise verändern müssen, um die Ziele einer nachhaltigen Entwicklung verwirklichen zu können. Und dafür Verständnis und v. a. die Bereitschaft zur Veränderung bei den Betroffenen zu erlangen.</p>
<p>Ihr Rat an die Universität Hamburg?</p>
<p>Ebers: Ich kann und möchte keinen Rat geben, sondern vielmehr alle Mitglieder der UHH dazu anregen, sich mit dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung, deren spezifischer Bedeutung für die Entwicklung der UHH und deren jeweiligen Bezug zum eigenen Arbeitsfeld zu befassen. Viele Veranstaltungen, wie z. B. die jährlichen Nachhaltigkeitstage, eröffnen dafür in verschiedenen Formaten und mit unterschiedlichen Themenschwerpunkten Möglichkeiten.</p>
<p>Wer sind für Sie die inspirierenden Treiber für nachhaltige Entwicklung? Wen sollte man lesen/wem zuhören?</p>
<p>Ebers: Ich habe dazu niemand Speziellen im Kopf, verfolge die Publikationen zu dieser Thematik aber auch nicht systematisch in ihrer ganzen Breite. Es gibt viele Menschen, die sich für eine nachhaltige Entwicklung oder zu einzelnen Aspekten von Nachhaltigkeit engagieren und wichtige Beiträge zum Thema liefern, die ich inspirierend finde. Da möchte ich jetzt aber keine einzelne Person besonders herausstellen. Mir erscheint es grundsätzlich wichtig, eine breite Informationsbasis zu nutzen und sich vielfältig zu informieren, um einen möglichst fundierten Einblick in die Entwicklung der Welt zu erhalten. Veröffentlichungen und Informationen der UN zu dieser Thematik erscheinen mir auf jeden Fall beachtenswert.</p>
<p>Was tun Sie persönlich, um nachhaltiger zu leben?</p>
<p>Ebers: Ich nutze v. a. den ÖPNV und besitze kein Auto; ich setze beim Einkauf verstärkt auf regionale und Bioprodukte und praktiziere Mülltrennung; in Abwägung zwischen Flug und Zugreise nutze ich zumindest innerhalb Deutschlands häufig die Bahn; darüber hinaus unterstütze ich z. B. eine auf nachhaltige Entwicklung der Welt ausgerichtete gemeinnützige Organisation (durch volunteering und Spenden).</p>
<p>Was sollten wir noch über Sie wissen?</p>
<p>Ebers: Ich interessiere mich u. a. für Archäologie, die für mich auch etwas mit nachhaltiger Entwicklung zu tun hat. Um die Zukunft in den Blick nehmen und nachhaltig agieren zu können, müssen wir auch unsere Vergangenheit kennen und unser kulturelles Erbe erhalten. So habe ich z. B. über die oben genannte Organisation selber als volunteer an einer archäologischen Ausgrabung in Italien teilgenommen. Ein wichtiges Ziel dieser über viele Jahre laufenden Ausgrabung an der toskanischen Küste ist zu erfahren, wie die etruskische und die römische Wirtschaft funktionierten und wie die Römer die natürlichen Ressourcen der Territorien, die sie beherrschten, ausbeuteten. </p>
<p>Vielen Dank!</p><p>Foto: privat</p>NAGR-zentrale-7136886-production2019-04-09T22:00:00ZIm Interview: Prof. Dr. Sandra Sprenger<img width="293" height="165" style="float:left" src="https://assets.rrz.uni-hamburg.de/instance_assets/zentrale/7136864/sandra-sprenger-733x414-2ce041d6e87138a5a77f2a79f1dd9a263f0077eb.jpg" /><p>Sehr geeehrte Frau Professorin Sprenger, wie ist Ihre Tätigkeit an der Universität Hamburg mit dem Thema nachhaltige Entwicklung verknüpft?</p>
<p>Sprenger: Zum einen ist sie verknüpft über das Team KNU-Team „Nachhaltigkeit in Studium und Lehre“, in dem ich seit einigen Jahren Mitglied und seit 2018 Leiterin bin. Darüber hinaus beschäftige ich mich in Forschung, Lehre und Bildung mit Nachhaltiger Entwicklung, insbesondere im fachdidaktischen Kontext. Hier habe ich z. B. untersucht, welche Vorstellungen und Konzepte zu Nachhaltigkeit und nachhaltigem Wasserkonsum existieren. Außerdem bin ich bestrebt, das Thema weiter in die Öffentlichkeit zu bringen und Wissenschaftskommunikation zu betreiben, z. B. durch eine interaktive Ausstellung zum nachhaltigen Wasserkonsum.</p>
<p>Warum engagieren Sie sich für das Thema nachhaltige Entwicklung?</p>
<p>Sprenger: Es ist die Verantwortung unserer Generation, die aktuellen und zukünftigen Lebensbedingungen in den Blick zu nehmen. Mein Fach (Geographiedidaktik) führt mich in viele unterschiedliche Länder und Kulturen. Dort wird uns die Begrenztheit der natürlichen Ressourcen (z. B. Wasser, Energie) einerseits und die steigende Nachfrage andererseits vor Augen geführt. Es ist notwendig, diese Dinge stärker in den Blick zu nehmen und in Bildungsprozesse zu implementieren. </p>
<p>Was sind aus Ihrer persönlichen Sicht die größten Erfolge bezüglich nachhaltiger Entwicklung an der Universität Hamburg/in Deutschland/weltweit?</p>
<p>Sprenger: Das Leitbild einer Nachhaltigen Entwicklung ist eng mit der Universität verbunden, es hat Wirkung auf Beschäftigte und Studierende. Um die Nachhaltigkeit in Forschung, Lehre und Verwaltung in den Blick zu nehmen, erscheinen mir die ganz unterschiedlichen Aktivtäten des Kompetenzzentrums Nachhaltige Universität ein Erfolg – zur internen Implementierung, zum Austausch und zur Vernetzung. Ich nehme seit Jahren an diversen Veranstaltungen teil, z. B. im Rahmen der Aktionstage Nachhaltigkeit oder zur Verleihung der Patenschaften für die SDGs. Auf diesen Veranstaltungen bin ich regelmäßig mit mir bekannten und bis dato unbekannten Wissenschaftler/innen zusammen gekommen, wobei neben der Vernetzung auch immer neue Ideen entstanden sind. In Bezug auf Bildungsprozesse erscheinen mir die vielen Projekte und Initiativen ein Erfolg zu sein, die national und international im Bildungssystem in der UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ (2005 – 2014) und im nachfolgenden Weltaktionsprogramm in den vergangenen Jahren angestoßen worden sind. Darüber hinaus wurden BNE und NE in vielen Curricula auf unterschiedlichen Ebenen implementiert – vieles ist bereits passiert – aber es steht nach wie vor noch viel Arbeit an. </p>
<p>Was sind in Ihren Augen Herausforderungen an der Universität Hamburg im Hinblick auf eine nachhaltige Entwicklung?</p>
<p>Sprenger: Es existiert nach wie vor eine Kluft zwischen Wissen über Nachhaltigkeit und dem tatsächlichen Handeln. In Bildungsprozessen muss man an der Überwindung dieser Kluft arbeiten. Tatsächlich sind bereits viele an Nachhaltigkeit interessierte Personen an der Universität aktiv. Dennoch ist dies noch ausbaufähig. Das Leitbild und seine Ideen müssen in Zukunft noch stärker implementiert werden. In diesem Zusammenhang sehe ich es als Herausforderung an, Kolleginnen und Kollegen zum aktiven Mitwirken zu bewegen, die bisher noch nicht aktiv tätig gewesen sind. </p>
<p>Ihr Rat an die Universität Hamburg?</p>
<p>Sprenger: Ich finde es äußerst schwierig, pauschale Ratschläge zu geben, da diese immer von einer konkreten Situation, von räumlichen und zeitlichen Rahmenbedingungen abhängen. Meinen Rat gebe ich daher gerne vor dem Hintergrund eines konkreten Anlasses.</p>
<p>Wer sind für Sie die inspirierenden Treiber für nachhaltige Entwicklung? Wen sollte man lesen/wem zuhören?</p>
<p>Sprenger: Ich kann keine Person namentlich nennen, da es einfache zu viele wären und eine Auswahl schwer möglich ist. Generell zuhören sollte man Wissenschaftler/innen, die sich aus den unterschiedlichen Perspektiven mit Nachhaltiger Entwicklung und ihren Inhaltsfeldern (u. a. Biodiversität, Klimawandel, Migration, Produktion und Konsum) auseinander setzen. Und denjenigen, die es in den Fokus der Bildung bringen. </p>
<p>Was tun Sie persönlich, um nachhaltiger zu leben?</p>
<p>Sprenger: Aktuell habe ich kein Auto und erledige Einkäufe und tägliche Wege in den meisten Fällen mit dem Rad. Bei dem Konsum von Lebensmitteln orientierte ich mich am saisonalen Kalender, vor allem bei Obst und Gemüse und versuche, möglichst viele lokale Produkte zu kaufen. Für meine Arbeitsgruppe und mich bestelle ich wöchentlich eine Biokiste, die Obst ins Büro bringt. Bei dem Konsum von Fleisch und Fisch achte ich auf bestimmte Zertifizierungen und bin bereit, kleinere Menge zu kaufen oder etwas mehr zu bezahlen. Generell versuche ich, möglichst nur solche Mengen zu kaufen, die ich auch tatsächlich verzehre. Und natürlich habe ich immer eine Baumwolltasche dabei, um Verpackungen/Tüten zu sparen. </p>
<p> Was sollten wir noch über Sie wissen?</p>
<p>Sprenger: Ich forsche zu Themen der Nachhaltigen Entwicklung in Bezug auf Bildungsprozesse, insbesondere unter einer fachdidaktischen Perspektive, konkret z. B. in Bezug auf nachhaltigen Wasserkonsum. Dafür habe ich die Patenschaft für das SDG 6 (Sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen) erhalten. Da ich auch regelmäßig im internationalen Umfeld tätig bin, sehe ich ganz unterschiedliche Ausgestaltungen von nachhaltigen und nicht-nachhaltigen Lebensweisen. Hier sehe ich es als Notwendigkeit an, stärker auf alltägliche gut funktionierende, aber auch auf wenig funktionierende Dinge aufmerksam zu machen und Personen in ihrem lokalen Umfeld zum Handeln zu bewegen.</p>
<p>Vielen Dank!</p>
<p>Weiterführende Informationen: https://www.ew.uni-hamburg.de/ueber-die-fakultaet/personen/sprenger.html</p><p>Foto: Martin Joppen Photographie</p>NAGR-zentrale-7062026-production2019-03-26T23:00:00ZIm Interview: Prof. Dr. Hermann Held<img width="293" height="165" style="float:left" src="https://assets.rrz.uni-hamburg.de/instance_assets/zentrale/7062051/hermann-held-733x414-2f1103a04f67e3f34f9a9ceeeacf28d20a7d3aa6.jpg" /><p>Sehr geehrter Herr Professor Held, wie ist Ihre Tätigkeit an der Universität Hamburg mit dem Thema nachhaltige Entwicklung verknüpft?</p>
<p>Held: Am Beispiel des Klimaproblems befasse ich mich in Forschung, Lehre und Bildung mit nachhaltiger Entwicklung. „Welche Zukünfte in Bezug auf Klima-Lösungen sind möglich und bis zu welchem Grade können sie den oft widersprüchlichen gesellschaftlichen Wunschvorstellungen entsprechen?“ ist die Kernfrage, die meine Mitarbeiter*innen und mich umtreibt. Dies wirft spannende fachliche Teilprobleme auf und kann zugleich den gesellschaftlichen Diskurs unterstützen – Vertrauensbildung durch Versachlichung. Ein recht abstraktes Spezialthema ist in diesem Kontext, wie mathematische Modelle für Starke Nachhaltigkeit aussehen können, so dass Entscheiden widerspruchsfrei unter Unsicherheit möglich ist, zugeschnitten auf das Klimaproblem. Unsere Einsichten fließen dann direkt in die Lehre an der UHH ein. </p>
<p>Warum engagieren Sie sich für das Thema nachhaltige Entwicklung?</p>
<p>Held: Als Mitglied der „Generation Tschernobyl“ gewann ich zunehmend den Eindruck, dass hochindustrialisierte Nationen einen Systemdefekt in Sachen nachhaltiger Entwicklung aufweisen. Dies zog mich dann auch fachlich in seinen Bann, denn Fragen, das Grundsätzliche betreffend, ziehen mich als Physiker nun einmal magisch an. Grundsätzlichem in ästhetisch anziehender Gestalt der Angewandten Mathematik bei gleichzeitiger Sinndimension durch Gesellschaftsbezug nachgehen zu können, erfahre ich seitdem als unglaubliches Privileg. </p>
<p>Was sind aus Ihrer persönlichen Sicht die größten Erfolge bezüglich nachhaltiger Entwicklung an der Universität Hamburg/in Deutschland/weltweit?<br></p>
<p>Held: Weltweit: die eingeleitete Schließung der Ozonlöcher und das Pariser Klimaabkommen, national und europäisch: die Lösung des Schwefelproblems und wiederhergestellte Minimalstandards an Gewässerqualität, an der UHH: eine zunehmende Zahl von Professuren mit Nachhaltigkeits-Denomination sowie, dass wir einen mutigen Diskurs begonnen haben, auf welche Weise Nachhaltigkeit ein Leitmotiv für die UHH als Volluniversität sein kann – und natürlich das drittmalige Einwerben eines Exzellenzclusters, der sich fächerübergreifend ganz dem Klimaproblem widmet. </p>
<p>Was sind in Ihren Augen Herausforderungen an der Universität Hamburg/in Deutschland/weltweit im Hinblick auf eine nachhaltige Entwicklung?</p>
<p>Held: Wir alle bewegen uns in einem System, das sich spätestens seit Beginn der Industriellen Revolution daran gewöhnt hat, ökonomisches Wachstum auf Kosten natürlichen und sozialen Kapitals zu generieren. Dieser Mechanismus war und ist der bislang global erfolgreichste, immer mehr Menschen aus Armut in eine Mittelstands-Existenz zu befördern. Unter den Bedingungen eines globalisierten Marktes die global-kulturelle Kraft aufzubringen, einen in dieser Weise scheinbar alternativlosen Kapitalismus jedoch auf eine nachhaltige Entwicklung hin zu gestalten, stellt eine globale Herausforderung ersten Ranges dar – nicht zuletzt auch an die Wissenschaft, ohne deren Faktenbasis es nicht gelingen kann. Dieses globale Spannungsverhältnis spiegelt sich auch in unserer UHH wider. Die fortschreitende Ökonomisierung unserer Gesellschaft, die in der Logik möglichst ungebremsten Wachstums begründet ist und die seit einigen Jahrzehnten auch unser Universitätswesen erfasst hat, schuf ein Anreizsystem, das aus meiner Sicht die Kluft zwischen absolut notwendiger disziplinärer Forschung und einer Forschung noch vertieft hat, die als erstes fragt: „Was muss ich mit welchen Methoden und welchem Fächermix untersuchen, damit das gesellschaftliche Grundsatzproblem XY gelöst werden kann?“ In praxi müssen Sie, wenn Sie eine solche Frage ernst nehmen, interdisziplinär auf gemeinsame Veröffentlichungen hinarbeiten. Nachwuchsforscher*innen gehen ein hohes Karriererisiko ein, wenn sie einen zu großen Anteil ihrer Energie auf Kompetenzen außerhalb ihres Stamm-Faches verwenden. Die wissenschaftlichen Institutionen ringen mehr oder weniger um Förder-Formate, ob und wie hier Chancengleichheit mit disziplinären Karrieren geschaffen werden kann. Die Exzellenzinitiative hat hier einen Fortschritt erzielt, indem immerhin interdisziplinäre Zusammenarbeit explizit gewürdigt wird.</p>
<p>Ihr Rat an die Universität Hamburg?</p>
<p>Held: Jede Forscherin und jeder Forscher, aber auch die UHH als Institution könnte sich, vielleicht sogar ritualisiert, fragen: „Welche Nachhaltigkeits-Probleme überfordern die Gesellschaft derzeit und wie könnte meine Forschung dazu beitragen, dass die Gesellschaft schneller – vielleicht sogar noch rechtzeitig – einen Lösungspfad findet?“ Aus meiner Sicht benötigen wir eine Umgangs- und Bildungskultur, die Forscherinnen und Forscher, aber auch alle Studierenden in der Orientierungsphase ihres Bachelorstudiums, ermutigt und in die Lage versetzt, diese Frage zu stellen. Gleichzeitig muss es völlig in Ordnung bleiben, darauf zu antworten: „Sorry, ich interessiere mich nun einmal eher für meine Arbeit am Beschleuniger im Kontext einer vereinheitlichten Feldtheorie!“ Ein Kontinuum von Forschung zwischen Zugewandtheit (der Gesellschaft gegenüber) und Verinnerlichung („Feldtheorie“) sollte als gewollte Dimension von Diversität stärker kommuniziert werden. </p>
<p>Wer sind für Sie die inspirierenden Treiber für nachhaltige Entwicklung? Wen sollte man lesen/wem zuhören?</p>
<p>Held: Nachhaltige Entwicklung wird meist durch die Zivilgesellschaft getrieben, weil Teile ihrer die stärkste emotionale Bindung an die Kinder- und Enkelgeneration aufweist. Allerdings stößt sie, auf sich selbst gestellt, wegen der fachlichen Komplexität vieler Themen oft schnell an ihre Grenzen. Eine Minderheit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern bemüht sich, hier Lücken zu füllen. Seit ihrer Gründung in den 1990er Jahren bin ich Abonnent des transdisziplinären Journals GAIA. Hier wurden und werden viele der konzeptionellen Schlachten um das Spannungsfeld „Nachvollziehbar disziplinär organisierter Forschungsbetrieb – gesellschaftliche Nachhaltigkeits-Bedürfnisse“ geschlagen. Zugleich wurden sie geerdet an konkreten, allerdings oft auch kleinteiligen Beispielen aus der transdisziplinären Praxis. Mittlerweile entwickelt sich nun auch der Klima-Diskurs in den unzähligen Fachjournalen zum Klimawandel in Richtung auf Gestaltungsfragen. Climatic Change hat hier als erstes Journal vorbildlich ein interdisziplinäres Forum geschaffen, an dem sich mittlerweile weitere Journale orientieren. Die klimaökonomische Forschung von Ottmar Edenhofer ist in besonderer Weise durch die Frage inspiriert, welche neuen Erkenntnisse der Gesellschaft dienlich sein können, das Klimaproblem zu lösen. In verteilter Form spiegelt sich dies für Großbritannien an der London School of Economics and Political Science. Und ich erlaube mir zu erwähnen, dass im Zuge der Aufstockung des wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Bereichs in unserem Cluster vieles Wegweisendes hinzugekommen ist, dass ich dringend verstehen möchte. Zur Universitätsreform empfinde ich Uwe Schneidewinds Schriften als inspirierend, insbesondere seine Vision, die Universität könne Chancengleichheit für Transformationsforschung erreichen und die Diskurshoheit in Sachen Nachhaltigkeit und Transformation (zurück?-)erobern. Dies wäre extrem wichtig, denn es sind die Universitäten, die die kommenden Studierenden-Generationen prägen. Schließlich verfolge ich seit neuestem auch die Schülerprotestbewegung. Um diese Generation geht es und es ist im Sinne von Stakeholder-Beteiligung gut, dass sie sich endlich zu Wort meldet. Die Ernsthaftigkeit des Protestes beeindruckt mich, die sich auch in der vergleichsweise hohen Präzision der naturwissenschaftlichen und ethischen Argumente ausdrückt. </p>
<p>Was tun Sie persönlich, um nachhaltiger zu leben?</p>
<p>Held: Ich besitze kein Auto und gebe einen überdurchschnittlichen Anteil meines Soldes für nachhaltig gewonnene Lebensmittel aus. </p>
<p>Was sollten wir noch über Sie wissen? </p>
<p>Held: Das Klimaproblem halte ich für techno-ökonomisch lösbar; am Lebensstil würde sich vergleichsweise wenig ändern müssen – schade, dass der IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change, Weltklimarat) mit dieser Botschaft kaum durchgedrungen ist. Allerdings frage ich mich: Gibt es vielleicht noch wichtigere Nachhaltigkeits-Themen? Haben wir die nötigen Frühwarn-Instrumente installiert? Kandidaten liegen auf der Hand – und hier ist dann nicht mehr klar, ob nicht doch unsere gesamte Wirtschafts- und Lebensweise langfristig transformiert werden müsste. Studierende fragen immer öfter nach Lebensstil-Forschungsmöglichkeiten und sind enttäuscht, wenn ich nichts anbieten kann. Neben rationalen Erwägungen mag sich hier auch ein feines Gespür artikulieren, dass das herrschende gesellschaftliche Anreizsystem, in der Sprache von Erich Fromm, unser Leben immer mehr vom „Sein“ zum „Haben“ verschiebt. Meine kürzlich verstorbenen Eltern haben das Wirtschaftswachstum, von dem auch sie sehr profitierten, gerne mitgenommen, jedoch auch stets mit einer gewissen Ironie kommentiert. Es war für sie sonnenklar, dass es, jenseits der erlittenen Armutsschwelle der 1940er, auf anderes im Leben ankommt und haben es uns Kindern vorgelebt. Aus meiner Sicht müssten wir uns wieder mehr trauen, uns auch zu unseren Erfahrungen im „Sein“ zu artikulieren. Die reichen Industrienationen sind in einen zunehmend materialistischen Diskurs abgeglitten und stehen nun vor der Aufgabe, der spirituellen Dimension des Lebens, über die so wenig zu hören ist, zeitgemäßen Ausdruck zu verleihen. Dies wäre entscheidend dafür, dass wir Menschen auch künftig angemessen als Menschen leben können. Es würde jedoch auch helfen, den ein oder anderen Verteilungskonflikt empathisch zu entschärfen. Ich selber habe es mir in den letzten Jahren zur Regel gemacht, bei jeder neuen Anforderung, die unser System in Richtung „Haben“ artikuliert, dem zwar, wenn möglich, zu entsprechen, mich jedoch als Gegengewicht z. B. jeweils noch vertiefter auf meine Forschungsfragen einzulassen oder intensiver Musik auszuüben. Auf beiden Zugängen eröffnet sich Ungeahntes, hochgradig Faszinierendes, Beglückendes, so dass ich mich frage: „Womit hast Du in jüngeren Jahren eigentlich Deine Zeit vertan?“</p>
<p>Vielen Dank!</p>
<p>Weiterführende Informationen: https://www.fnu.uni-hamburg.de/staff/held.html</p>
<p> </p><p>Foto: privat</p>