Rückblick: Wissenschaftscafé „Wie wirkt Wissenschaft sozialer Spaltung entgegen?“
30. Dezember 2019, von Stefanie Reiter
Foto: UHH/Engels
„Wie wirkt Wissenschaft sozialer Spaltung entgegen?“
Unter dem Motto „Wie wirkt Wissenschaft sozialer Spaltung entgegen?“ fand am 19.11.19 ein Wissenschaftscafé in Zusammenarbeit mit dem Ausschuss für Studium und Lehre (ALSt) statt. Hintergrund sind die von den Vereinten Nationen beschlossenen Sustainable Development Goals (SDG). Sie sind eine Antwort auf die aktuellen großen Menschheitsherausforderungen und vorwärtsweisende Leitlinie für die humane Entwicklung der Welt. Die Universität Hamburg hat die SDGs im universitären Struktur- und Entwicklungsplan aufgegriffen um zum Ausdruck zu bringen, dass wir als Universitätsmitglieder Wissenschaft in gesellschaftlicher Verantwortung betreiben. Das Motto wurde auf der Veranstaltung exemplarisch an den drei SDGs „Kein Hunger“, „Hochwertige Bildung“ und „Maßnahmen zum Klimaschutz“ bearbeitet.
Seit 2015 Anstieg der unterernährten Menschen weltweit
Das Vorbereitungsteam hat die These „Die globale soziale Ungleichheit ist die Mutter aller Probleme“ aufgestellt, auf die die drei eröffnenden Kurzinputs der SDG-Pat*innen Bezug nahmen. Prof. Dr. Cord Jakobeit arbeitet in der Politikwissenschaft und repräsentierte das SDG „Kein Hunger“ vor den rund 50 Teilnehmenden der Veranstaltung. Er betonte, dass es seit 2015 einen Anstieg der unterernährten Menschen weltweit gibt und dass die acht reichsten Menschen weltweit so viel besitzen wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung. Prof. Dr. Silke Schreiber-Barsch setzt sich mit Erwachsenenbildung auseinander und führte aus, dass in ihrem Forschungsfeld z.B. der Matheus-Effekt („Wer hat, dem wird gegeben“) Konflikte auslöst. Der dritte SDG-Pate, Prof. Dr. Stefan Aykut, forscht zur Soziologie ökologischer Krisen und Konflikte und argumentierte, dass arme Menschen Umweltverschmutzungen besonders stark ausgesetzt sind.
Drittmittel und Exzellenzinitiative im Widerspruch zu Wissenschaft in gesellschaftlicher Verantwortung?
In den anschließenden Workshops gaben die drei Studierenden Ida Rockenbach (Sozialökonomie), Helen Waider (Erziehungswissenschaft) und Armin Günther (Molecular Life Sciences) Kurzinputs zu den drei Themen Hunger, Bildung und Klima. Fragen, die in dem Klimaworkshop entwickelt wurden, lauten: Welche Rolle kann und soll Wissenschaft in gesellschaftlichen Transformationsprozessen spielen? Wie muss sie dazu strukturiert sein? Sind Drittmittel und Exzellenzinitiative ein Widerspruch zu Wissenschaft in gesellschaftlicher Verantwortung? In welchem Verhältnis stehen Wissenschaft und gesellschaftliche Bewegung? Im Workshop zu dem SDG „Kein Hunger“ wurde diskutiert, dass Hunger eigentlich eine Frage von Armut ist. Es würden genügend Lebensmittel produziert, um alle Menschen weltweit zu ernähren. Die weitverbreitete Unterernährung entstehe durch das globale Machtgefüge und aufgrund der ökonomischen Verhältnisse. Der Bildungsworkshop sprach über Bildungsgerechtigkeit, unterschiedliche Zugänge zu Bildung durch soziale Ungleichheit und über Inklusion.
Kritik- und Urteilsfähigkeit bilden und nicht bloße Inhalte wiederkäuen
Im Abschlussplenum wurden die Ergebnisse aus den Workshops zusammengetragen und diskutiert. Cord Jakobeit betonte, dass universitäre Bildung in erster Linie die Kritik- und Urteilsfähigkeit bilden soll und nicht dazu dienen sollte, bloße Inhalte wiederzukäuen. Die Studierenden führten die Kritik am aktuellen Bildungssystem weiter aus: Der permanente Bewertungsdruck führe dazu, dass die Lehrenden und andere Studierende nicht konstruktiv kritisiert werden – aus Angst vor schlechter Bewertung. Zudem seien die hohe Prüfungslast und ein hoher Lohnarbeitsdruck durch steigende Mieten und geringes BAföG Gründe dafür, dass sich so wenige Menschen politisch engagierten und organisierten. Universitäten trügen so häufig zur Reproduktion sozialer Ungleichheit bei, und es sollte darum gehen, mehr Menschen von außerhalb in die Universität und z.B. in diese Veranstaltung einzubinden. Abschließend wurde noch die mangelnde politische Organisierung unter den Wissenschaftler*innen diskutiert sowie die vermutete Verengung der Vielfalt der Lehrmeinungen in einigen Fächern. Das Konzept des Wissenschaftscafés als für alle offene Diskussionsveranstaltung sollte aus Sicht der organisierenden Studierenden aus dem AStL in Zukunft in regelmäßigen Abständen unter Zusammenarbeit des ALSt und des Transferzentrums (in dass das KNU übergeleitet werden soll) stattfinden.
Einzelne thematische Ausschnitte der Veranstaltung sind als Video über die Plattform Lecture2Go über diesen Link verfügbar.