Henning Jessen
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Rechtswissenschaftliche Fakultät, Institut für Seerecht und Seehandelsrecht / Center for Earth System Research and Sustainability (CEN, dort: Integrated Climate Data Center, ICDC)
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Titel des Forschungsprojektes:
Shipping in the Arctic – Current Developments and Future Challenges („SHARC“)
Mentor:
Prof. Dr. Dr. Marian Paschke
Hintergrund des Projekts:
Das "SHARC"-Projekt untersucht die derzeitigen und künftigen Bedingungen für die sich im Zuge des Klimawandels eröffnenden erweiterten Möglichkeiten vermehrter Schifffahrt in den polaren Gewässern der Arktis. Es betrachtet aber auch die damit verbundene Nachhaltigkeitserfordernisse für die einzigartige und besonders empfindliche Umwelt in der Polarregion. Die absehbaren wirtschaftlichen, geopolitischen und rechtlichen Konsequenzen und Rahmenbedingungen von wichtigen europäischen Stakeholdern sind der zentrale Gegenstand des Forschungsprojekts.
Das Projekt geht von dem heute wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisstand aus, dass die Klimaveränderung im Zuge der Erderwärmung einen deutlichen Anstieg der Schifffahrt in arktischen Gewässern zur Folge haben wird. Bei realistischer Betrachtung wird die Schifffahrt in den Regionen der Arktis vermehrt stattfinden und deren Entwicklung mit dem unvermeidlichen Abschmelzen des Polareises nicht aufzuhalten und schon gar nicht zu verbieten sein. Deshalb gilt es, rechtzeitig vor dieser künftigen Entwicklung die sachgerechten Weichenstellungen für die Bewältigung der damit verbundenen Risiken zu treffen. Das Forschungsprojekt widmet sich dieser Aufgabenstellung. Die Perspektiven arktischer Schifffahrt eröffnen Chancen (z.B. Treibstoffersparnis), sind aber unter Nachhaltigkeitsaspekten auch mit durchaus hohen Risiken verbunden. Es stellen sich insofern Fragen nach den Anforderungen an ein nachhaltiges Wirtschaften im maritimen Sektor, an die nachhaltige Nutzung von Ressourcen und an den Umweltschutz im maritimen Raum. Nicht zuletzt sind Fragen des Schutzes der indigenen Bevölkerung in den betroffenen Gebieten berührt.
Zielsetzung des Projekts:
Das Projekt verfolgt grundlegend das Ziel, die für notwendig erachteten Rahmenbedingungen für eine intensivierte Schifffahrt (derzeit gibt es nur vereinzelte Schiffsbewegungen in der Sommerzeit) in der einzigartigen maritimen Umwelt der Arktis zu untersuchen. Die konfligierenden Interessen involvierter Parteien in den Referenzländern (insb. Deutschland, Russland und Finnland) werden eruiert und evaluiert. Zunehmend äußern aber auch andere Drittstaaten ein großes Interesse an arktischen Themen. Aus diesem Grund gibt es in dem Projekt auch die Beteiligung eines türkischen Partners.
Das Projekt wird in seinem analytischen Teil die derzeit erkennbaren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Schifffahrt in der Arktis, die geostrategische Bedeutung der Ausweitung der Schifffahrt und insbesondere die rechtlichen Voraussetzungen analysieren. In seinem projektiven Teil sollen die für notwendig erachteten Voraussetzungen für nachhaltig verantwortbare Schifffahrtsaktivitäten in der Arktis herausgearbeitet werden. Die dabei aufeinander treffenden Interessen, die insbesondere in wirtschaftlicher, politischer, gesellschaftlicher Hinsicht stark divergieren und in den Referenzländern sehr unterschiedlich wahrgenommen werden, sollen im Rahmen einer abwägenden Analyse zu einem sachgerechten Ausgleich gebracht und zu einem Vorschlag für die Weiterentwicklung des sog. "IMO Polar Code" konkretisiert werden.
Vorgehen:
Die Inhalte des Vorhabens sind einerseits interdisziplinär und international angelegt, andererseits soll ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt werden, bei dem neben wirtschaftlichen und geopolitischen Fragestellungen auch soziokulturelle und rechtliche Fragestellungen untersucht werden. Die Internationalität ist erforderlich, um die von der Schifffahrt berührten Länderinteressen in den Referenzländern zu identifizieren und zu bewerten. Deshalb ist die Einbeziehung von Russland und Finnland von hervorragender Bedeutung. Gerade Russland wird in der Hauptsache durch die zukünftigen wirtschaftlichen Aktivitäten in der Arktis betroffen sein.
Die Interdisziplinarität des Projekts reflektiert die Relevanz sehr unterschiedlicher fachdisziplinärer und wirtschaftlich-politischer Interessen in den Referenzländern. Durch die polare Schifffahrt werden nicht nur geopolitische Interessen betroffen, sondern es werden auch fundamentale soziokulturelle und gesellschaftspolitische Fragen für die betroffenen Regionen und die indigenen Völker der Polarregion aufgeworfen. Dies unterstreicht die besondere Relevanz des interdisziplinären Ansatzes. Er findet seinen gebotenen personellen Niederschlag in den unterschiedlichen fachdisziplinären Kompetenzen der mitwirkenden Kolleginnen und Kollegen bzw. Einrichtungen. Der Reiz und zugleich die Schwierigkeit des Projekts liegen in dem Umstand begründet, dass es bisher im Rahmen der bekannt gewordenen Polarforschung noch kaum gelungen erscheint, in einen interdisziplinären Dialog einzutreten. Das Projekt soll insofern Abhilfe schaffen. Es soll damit zugleich einem entsprechenden interdisziplinären Untersuchungsansatz verfolgen. Bei der umfänglich Diskussion um die Verabschiedung des "IMO Polar Code" sind vorwiegend schifffahrtsbezogene wirtschaftliche Fragestellungen erörtert und entschieden worden. Fragen der Schiffssicherheit und der Sicherheit für das Schiffspersonal bei Polarfahrten standen im Vordergrund. Das Projekt soll weit darüber hinaus auch Fragen des Umwelt- und Infrastrukturschutzes, des Schutzes der Lebensinteressen der indigenen Bevölkerung und Fragen der geopolitischen und soziopolitischen Rahmenbedingungen der Wirtschaftlichkeit des Schiffsbetriebes miterörtern. Hierin liegt ein - bezogen auf die Schifffahrt - auch international durchaus innovativer und – von den grundlegenden Arbeiten insbesondere der IMO abgesehen - noch wenig beleuchteter Forschungsansatz.