Dr. Hannah Zagel
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WiSo-Fakultät, Fachbereich Sozialökonomie
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Titel des Forschungsprojektes:
Lebensphase Alleinerziehen: Die Reproduktion sozialer Ungleichheit im Zusammenspiel von Familienzyklus, Lebenslauf und Sozialpolitik
Mentor:
Prof. Dr. Henning Lohmann
Hintergrund des Projekts:
Elternschaft wird zunehmend, zumindest phasenweise, auch außerhalb von Partnerschaften erlebt. Alleinerziehen ist damit zu einem weit verbreiteten Phänomen im Lebenslauf geworden. Aus sozialstruktureller Perspektive hat sich Alleinerziehen also – insbesondere für Mütter – immer mehr zur ‚normalen‘ Lebensform entwickelt. Allerdings geht Alleinerziehen oft mit ökonomischer Unsicherheit und Armutsgefährdung für die beteiligten Eltern und Kinder einher. Die Folge sind Einschränkungen von Handlungsmöglichkeiten und Entfaltungspotenzialen. Deshalb kann Alleinerziehen als eine Determinante sozialer Ungleichheit gelten. Normativ lässt sich diese Differenzierung der Lebenschancen als mögliches Hindernis für eine sozial nachhaltige Gesellschaft deuten. Denn soziale Nachhaltigkeit ist darauf angewiesen, dass die ökonomischen, psychischen und sozialen Ressourcen der Gesellschaftsmitglieder in der familiären Sphäre erhalten und reproduziert werden. Sind beispielsweise die Einkommen lebensstandardsichernd, innerfamiliäre Konflikte gering und soziale Teilhabe gewährleistet? Die Sozialpolitik in Deutschland und anderen europäischen Ländern hat dieses Spannungsfeld erkannt und sich vermehrt den Alleinerziehenden zugewandt. Über die Grenzen unterschiedlicher wohlfahrtsstaatlicher Traditionen hinweg wird vor allem die ökonomische Dimension adressiert und die Arbeitsmarktintegration Alleinerziehender angestrebt. Erwerbstätigenquoten zeigen jedoch, dass die Teilhabe insbesondere für Alleinerziehende eingeschränkt und hochgradig stratifiziert ist und dass Länderunterschiede bestehen bleiben.
Zielsetzung:
Ziel des Projekts ist es, den bisher vornehmlich empirisch beobachteten, international variierenden Zusammenhang zwischen Alleinerziehen und sozialer Benachteiligung im Lebenslauf theoretisch zu erfassen. Eigene empirische Analysen sollen den Ansatz illustrieren. Das Projekt geht der Frage nach, unter welchen institutionell gerahmten biographischen Bedingungen und an welchen Stationen des individuellen Familienzyklus Alleinerziehen negative Auswirkungen auf die ökonomischen, psychischen und sozialen Familienressourcen hat.
Vorgehen:
Das vorliegende Projekt schlägt einen konzeptuellen Ansatz vor, um Unterschiede in der negativen Auswirkung von Alleinerziehen auf die Lebenssituation der betroffenen Familienmitglieder zu verstehen. Dazu wird erstens Zeitlichkeit als eine zentrale Dimension des Alleinerziehens hervorgehoben, einerseits als Zeit im Erwerbsverlauf (z.B. Qualifikationserwerb, Karrierestufe) und andererseits als Zeit im Familienzyklus (z.B. Familiengründung, Grad und Dauer der Elternschaft, Institutionalisierung des Übergangs aus der Partnerschaft). Zweitens wird das Zusammenspiel familien- und erwerbsbiographischer Verläufe zum Zeitpunkt des Alleinerziehens als ursächlich für Unterschiede in Familienressourcen herausgestellt. Drittens wird angenommen, dass die Vermittlung sozialer Ungleichheit durch die Intersektion von Familien- und Erwerbsbiographie in ländertypische Institutionenlandschaften wie Bildungssystem und Familienpolitik eingebettet sind, welche die Unterschiede in Auswirkungen vermitteln und ihrerseits stratifizierende Wirkungen entfalten.
Die empirische Illustration des Ansatzes stützt sich auf einen Zwei-Länder-Vergleich zwischen Deutschland (alte Bundesländer) und Großbritannien, wo sowohl institutionelle als auch sozialstrukturelle Unterschiede vorherrschen: Die Länder werden typischerweise als Beispiele unterschiedlicher Wohlfahrtsstaatsmodelle gesehen; und in Großbritannien ist Alleinerziehen häufiger mit junger Mutterschaft verbunden als in Westdeutschland. Zwei umfangreiche Längsschnittsdatensätze, das British Household Panel Survey (Taylor et al. 2010) und das Sozio-oekonomische Panel (Wagner et al. 2007), werden für die Analysen herangezogen um länderspezifische Profile der Lebensphase Alleinerziehen entlang der Indikatoren für Erwerbsbiographie und Familienzyklus auf Individualebene deskriptiv nachzuzeichnen und schließlich die Auswirkungen des Alleinerziehens auf die ökonomischen, psychischen und sozialen Ressourcen zu analysieren. Methodisch werden neben deskriptiven Verfahren Ressionsverfahren eingesetzt. Länderunterschiede in den institutionellen Regulierungen werden als mögliche Erklärungsfaktoren für Variation in den beobachteten individuellen Profilen diskutiert.