Im Interview: Dr. Christian Wittenburg
22. Mai 2019, von Stefanie Reiter
Foto: Jasper Wittenburg
Sehr geehrter Herr Dr. Wittenburg, wie ist Ihre Tätigkeit an der Universität Hamburg mit dem Thema nachhaltige Entwicklung verknüpft?
Wittenburg: Ich engagiere mich seit vielen Jahren im Arbeitskreis Klima, Energie und Umwelt. Ziel dieser mit AKEU abgekürzten Gruppe ist es, in den unterschiedlichen Bereichen der Universität Hamburg kleine Gruppen von engagierten Personen zu finden und deren Ideen und Vorort-Wissen für einen effektiven Energieeinsatz zu nutzen. Durch die Mitarbeit im Team 4 des KNU haben sich für mich auch viele neue und interessante Blickwinkel auf das Thema Nachhaltigkeit ergeben, denn man muss Transferprozesse begleiten und aktiv voranbringen, und das ist mit vielfachen, manchmal nicht sofort absehbaren Schwierigkeiten verbunden.
In den letzten Jahren habe ich mich an den Aktionstagen Nachhaltigkeit beteiligt. Vom AKEU haben wir Exkursionen zu großen Industriebetrieben mit Blick auf die Sustainable Development Goals (SDGs) unternommen, was für viele der Beteiligten sehr interessant war. Themen der Nachhaltigkeit verbinde ich auch mit meinen Lehrveranstaltungen. Ich bin davon überzeugt, dass man nur vor populistischer Meinungsmache einigermaßen sicher ist, wenn man die chemischen und physikalischen Grundlagen z. B. der Klimaerwärmung auch verstanden hat. Die Bildung einer Bewertungskompetenz ist ebenfalls ausdrückliches Lernziel.
Meine Mitarbeit im Personalrat für das wissenschaftliche Personal verstehe ich ebenfalls als einen Beitrag zur sozialen Dimension der Nachhaltigkeit, da nur bei guten Arbeitsbedingungen an unserer Universität ein substantieller Beitrag in Forschung und Lehre geleistet werden kann.
Warum engagieren Sie sich für das Thema nachhaltige Entwicklung?
Wittenburg: Für mich ist das Thema Nachhaltigkeit ein wunderbar geeignetes Band, um die Aktivitäten auf verschiedenen Ebenen für eine bessere Zukunft zu vereinen. Obwohl wir zurzeit in großem Wohlstand und Freiheit leben, sehe ich die globalen Herausforderungen als riesig an. Erderwärmung, wachsende Extremwetterereignisse, Bevölkerungswachstum und globale Klimaflüchtende und wieder steigende Kriegsgefahr müssen Antworten finden. Um mit diesen globalen Aufgaben umzugehen, scheint mir ein Engagement im Sinne der SDGs der Vereinten Nationen angemessen. Und das können eben auch kleine Schritte im Alltag sein, die ihren Teil zur Verbesserung beitragen. Als Lehrender sehe ich mich auch hier herausgefordert, und die Zielrichtung der Nachhaltigkeit scheint mir sinnhaft und richtig zu sein.
Was sind aus Ihrer persönlichen Sicht die größten Erfolge bezüglich nachhaltiger Entwicklung an der Universität Hamburg?
Wittenburg: Mit der Einrichtung des KNU ist es aus meiner Sicht sehr gut gelungen, das Thema Nachhaltigkeit als Zielvorgabe auf allen Ebenen unserer Universität zu etablieren. Am KNU mag ich besonders die Vielfalt des Angebots und die stets aktuelle Webpräsenz. Mit Blick auf unsere Nachbaruni Leuphana in Lüneburg sind wir zwar nicht die ersten, die sich die Nachhaltigkeit auf die Fahnen geschrieben haben, dennoch scheint mir das Thema groß genug, dass auch die Uni Hamburg als Volluniversität im Norden sich dieses als Leitmotiv für Forschung, Lehre und des eigenen Betriebs wählt.
Was sind in Ihren Augen Herausforderungen an der Universität Hamburg/in Deutschland/weltweit im Hinblick auf eine nachhaltige Entwicklung?
Wittenburg: Vom Großem zum Kleinen sehe ich global die Beherrschung des Klimawandels und den Umbau der Agrarwirtschaft unter Erhaltung der Biodiversität für vorrangig, für Deutschland den kompletten Umbau unserer Industriegesellschaft auf Klimaneutralität, ohne dass es dabei zu gewalttätigen Auseinandersetzungen kommt. Für die Universität: Sie muss Teil des Prozesses sein, sich meinungsstark auf der Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse einbringen.
Ihr Rat an die Universität Hamburg?
Wittenburg: Es fällt mir etwas schwer, hier einen Rat zu geben. Vielleicht der, offen und gesprächsbereit auf der Basis unserer durch die Aufklärung geprägten Ideale (der Forschung, der Lehre, der Bildung) und des gegenseitigen Respekts zu bleiben. Einsichten dürfen durchaus wiederholt werden und man sollte nicht aufhören zu fragen. Auch lieb gewonnene Gewohnheiten sind veränderbar, das beziehe ich durchaus auch auf mich selbst.
Wer sind für Sie die inspirierenden Treiber für nachhaltige Entwicklung? Wen sollte man lesen/wem zuhören?
Wittenburg: Ich verfolge das Thema in der Öffentlichkeit mit großer Aufmerksamkeit. Als äußerst wichtig erachte ich die Berichte des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change), da sie uns in den letzten Jahrzehnten die Folgen des Klimawandels klar dokumentiert haben. In dem Zuge braucht es aber auch guten und freien Journalismus, der die mitunter sperrigen Einsichten auch zum Thema Eintrittswahrscheinlichkeit und Unsicherheit erklärt.
Gut ist auch ein Blick in die Geschichte, wie beispielsweise Yuval Noah Harari in „Eine kurze Geschichte der Menschheit“ sehr kurzweilig darstellt. Es zeigt, dass unsere Entwicklung von stetiger Veränderung gekennzeichnet war und ist. Das kann Mut machen, auch die vor uns liegenden Herausforderungen zu bestehen. Genug Energie sendet uns die Sonne ja täglich frei Haus.
Was tun Sie persönlich, um nachhaltiger zu leben?
Wittenburg: In der Stadt bin ich fast ausschließlich mit Rad, Bus & Bahn unterwegs. Im Sommer mache ich verstärkt meinen gesamten Arbeitsweg mit dem Fahrrad, was auch körperlich herausfordernd ist. Für Dienstreisen bevorzuge ich die Bahn und meine Ernährung wird zunehmend fleischärmer. Ich kaufe möglichst nachhaltig hergestellte, regionale Produkte, Müll wird getrennt, organische Abfälle selbst kompostiert und es wird möglichst alles verwertet. Ich unterstützte verschiedene Kultureinrichtungen, besonders die Denkmalpflege, da sich in diesem Bereich historisches, soziales, kulturelles und handwerklich/naturwissenschaftliches Wissen und Tun wunderbar verbinden.
Was sollten wir noch über Sie wissen?
Wittenburg: Ich reise gerne, was auch zu Zielkonflikten bezüglich meiner CO2-Bilanz führt. Ich singe in einem Chor, die Auseinandersetzung mit Musik empfinde ich als sehr bereichernd. Ich lebe in und mit einer großen Familie, das jüngste Mitglied unserer Familie heißt Greta und ist gerade 2 Jahre alt geworden. Ein guter Ansporn, für eine nachhaltige Zukunft zu arbeiten.
Vielen Dank!
Weiterführende Informationen: https://www.chemie.uni-hamburg.de/institute/ac/arbeitsgruppen/jacobi/team/wittenburg-christian.html